Einschlag
Eine "Times Mager"-Kolumne
zur "Lyrikoffensive" des Deutschlandfunks
Angst und bange musste es Freunden filigraner Verse
werden, die am Donnerstagmorgen Deutschlandfunk hörten. Angst
und bange um jene deutsche Lyrik, die DLF-Programmdirektor Günter
Müchler zu schätzen vorgab und fördern will.
Das Lyrik-Projekt des DLF, über das ein DLF-Redakteur mit
seinem Chef, dem Programmdirektor, sprach, findet nicht nur dieser
lobenswert, weil er es erfunden hat. Dass der Deutschlandfunk
seit mehr als zwei Jahren täglich dreimal mitten im Programm
ein Gedicht sendet, mehr als 800 bisher, ist in der Tat zu preisen.
Mittlerweile ist ein Lyrik-Kalender ebenso daraus erwachsen wie
- Anlass der DLF-Nabelschau - ein Gedichte-Wettbewerb für
Schüler, der am Donnerstag bei der Leipziger Buchmesse vorgestellt
wurde. Partner sind der Philologenverband und der Wunderhorn-Verlag.
Auch eine prima Sache: Lyrische Leistung lohnt sich.
Der Name des Wettbewerbs aber lässt Furcht keimen: "lyrix
- Schülerwettbewerb für Dichter mit Klasse". Wenn
eine Mischung aus bemüht jugendlichem, halbanglizistischem
Neologismus und allzuwitzigen Wortspiel als Etikett über
der "Aktion" (Müchler) steht, mit einem kleinen
l, das der Werbesprache mehr verdankt als etwa Stefan George -
was soll dann herauskommen, wenn jeden Monat die fünf besten
Gedichte "in unserem Internet" veröffentlicht werden?
Zu befürchten ist: Sprache à la Müchler. Der
sagt, die "Lyrik-Offensive" seines Senders "ist
vom ersten Tag an voll eingeschlagen". Findet toll, dass
"das Gedicht nicht in die Kulturflächen des Programms
gestellt wird", sondern "rauskommt aus dem Ghetto der
Hochkultur". Es werde "ins fließende Programm
gewissermaßen reingeschossen" und habe "die Funktion
eines Wellenbrechers im Katarakt der Informationen".
Auch die ARD-Anstalten stellen in Leipzig ein Lyrik-Projekt vor,
den Hör-Conrady, nach dem Germanisten Karl Otto Conrady (Müchler
bescheiden: "Jede wirklich gute Idee findet Nachahmer").
Oh großer Conrady: Schütze die Lyrik, schütze
die Brechts und Brentanos, Heines und Hesses, die Rilkes und Rühmkorfs,
die Astels und Zweigs, die Kellers und Dachs, die von Eichendorffs,
von Eschenbachs und von Ebner-Eschenbachs - schütze sie vor
solchen Beschützern.
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