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Kein Fall für Exorzisten. Wer die NPD verbietet, drückt sich um die Auseinandersetzung mit Fremdenfeindlichkeit und Rassismus im Alltag, Analyse in der Frankfurter Rundschau vom 25. August 2007

 

Volker Schmidt

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Kein Fall für Exorzisten

Wer die NPD verbietet, drückt sich um die Auseinandersetzung mit Fremdenfeindlichkeit und Rassismus im Alltag / Analyse

Da verbreitet eine Partei rassistisches und revanchistisches Gedankengut und bekommt dafür Wahlkampfkosten erstattet und Fraktionsräume gestellt: Das tut weh. Ein Pfälzer Sozialdemokrat, der den Genossen aufs Maul schaut, kann da schon mal auf die Idee kommen, ein erneutes NPD-Verbotsverfahren zu fordern. Auch wenn die einzige erkennbare Verbindung zwischen dem Anlass und der Idee ist, dass ein paar junge Mügelner gelegentlich beim sächsischen NPD-Chef zu Gast sein sollen.

Die Gründe gegen ein Verbot sind immer noch gewichtiger als die dafür. Alte Gründe sind geblieben, neue hinzugekommen. Dass 2003 ein erstes Verbotsverfahren an den vielen V-Leuten in der Parteispitze scheiterte, war bereits eine Schlappe für die wehrhafte Demokratie. Ob die NPD verfassungswidrig ist, wurde gar nicht mehr geprüft - man stelle sich den Triumph der Rechten vor, wenn sie mit gerade noch demokratischem Programm und Gebaren den Segen Karlsruhes erhalten würden. Denkbar wäre es: Die sind ja nicht ganz blöd.

Nichts geändert hat sich auch an diesem lästigen liberalen Argument gegen alle Parteienverbote: Zu einer Demokratie gehört die Auseinandersetzung mit ihren Gegnern. Egal ob von links oder rechts, fundamentalkatholisch oder scientologisch.

Oder nationalsozialistisch: Seit der Zusammenarbeit mit den "Freien Kameradschaften", den bis dahin parteilosen Rechtsradikalen, ist die NPD nicht mehr nur rechtsextrem und nationalkonservativ, sie hat immer mehr echte Neonazis in ihren Reihen. Menschen, die Adolf Hitler nicht nur für den Autobahnbau loben und oft ansehnliche Vorstrafenregister aufweisen. Deren eigenwillige politische Kultur führt zu Spannungen in der rechten Szene, die für Demokraten amüsant mit anzusehen sind.

Dass die (ehemaligen) Skinheads nicht mehr nur Plakate kleben, sondern prominent auf Listen stehen, ist kein zusätzlicher Grund für ein NPD-Verbot, sondern ein neues Argument dagegen: Die Öffnung erleichert es, der Partei mit herkömmlichen Gesetzen Grenzen zu setzen. Wo Revanchisten den Massenmord an Juden, Roma und Andersdenkenden leugnen oder das NS-Regime verherrlichen, greift Paragraf 130 des Strafgesetzbuchs, Volksverhetzung. Wenn Gewalttäter zuschlagen, ist die Polizei zuständig. Dafür zu sorgen, dass Justiz und Polizei hier effizient und konsequent handeln, wäre die Anstrengungen, die ein Verbotsverfahren kosten würde, eher wert.

Stimmt, würde man die NPD verbieten, hätten Holocaust-Leugner und Inder-Jäger eine Plattform weniger. Fraktionszimmer in Landtagen und Rathäusern könnten nicht mehr als Schaltstellen der "Bewegung" dienen. Dafür aber wären Rechtsextreme und -extremisten schwerer zu beobachten. Zumal da verbliebene V-Leute abgezogen werden müssten, um ein Verbotsverfahren nicht zu gefährden.

Nicht jede rassistische und ausländerfeindliche Tat wird von Rechtsxtremen begangen; Rassisten und Ausländerfeinde gibt es an Stammtischen und in Sportvereinen, in Parteien, auch in der SPD. Wer fremdenfeindliche Gesinnung und Gewalt pauschal Rechtsextremen zuordnet, muss sich nicht mehr mit dem Alltagsrassismus auseinandersetzen. Kurt Beck aber geht Rassismus an wie ein Exorzist eine Krankheit: Dämonen austreiben statt heilen.