Kein Fall für Exorzisten
Wer die NPD verbietet, drückt
sich um die Auseinandersetzung mit Fremdenfeindlichkeit und Rassismus
im Alltag / Analyse
Da verbreitet eine Partei rassistisches und revanchistisches
Gedankengut und bekommt dafür Wahlkampfkosten erstattet und
Fraktionsräume gestellt: Das tut weh. Ein Pfälzer Sozialdemokrat,
der den Genossen aufs Maul schaut, kann da schon mal auf die Idee
kommen, ein erneutes NPD-Verbotsverfahren zu fordern. Auch wenn
die einzige erkennbare Verbindung zwischen dem Anlass und der
Idee ist, dass ein paar junge Mügelner gelegentlich beim
sächsischen NPD-Chef zu Gast sein sollen.
Die Gründe gegen ein Verbot sind immer noch gewichtiger
als die dafür. Alte Gründe sind geblieben, neue hinzugekommen.
Dass 2003 ein erstes Verbotsverfahren an den vielen V-Leuten in
der Parteispitze scheiterte, war bereits eine Schlappe für
die wehrhafte Demokratie. Ob die NPD verfassungswidrig ist, wurde
gar nicht mehr geprüft - man stelle sich den Triumph der
Rechten vor, wenn sie mit gerade noch demokratischem Programm
und Gebaren den Segen Karlsruhes erhalten würden. Denkbar
wäre es: Die sind ja nicht ganz blöd.
Nichts geändert hat sich auch an diesem lästigen liberalen
Argument gegen alle Parteienverbote: Zu einer Demokratie gehört
die Auseinandersetzung mit ihren Gegnern. Egal ob von links oder
rechts, fundamentalkatholisch oder scientologisch.
Oder nationalsozialistisch: Seit der Zusammenarbeit mit den "Freien
Kameradschaften", den bis dahin parteilosen Rechtsradikalen,
ist die NPD nicht mehr nur rechtsextrem und nationalkonservativ,
sie hat immer mehr echte Neonazis in ihren Reihen. Menschen, die
Adolf Hitler nicht nur für den Autobahnbau loben und oft
ansehnliche Vorstrafenregister aufweisen. Deren eigenwillige politische
Kultur führt zu Spannungen in der rechten Szene, die für
Demokraten amüsant mit anzusehen sind.
Dass die (ehemaligen) Skinheads nicht mehr nur Plakate kleben,
sondern prominent auf Listen stehen, ist kein zusätzlicher
Grund für ein NPD-Verbot, sondern ein neues Argument dagegen:
Die Öffnung erleichert es, der Partei mit herkömmlichen
Gesetzen Grenzen zu setzen. Wo Revanchisten den Massenmord an
Juden, Roma und Andersdenkenden leugnen oder das NS-Regime verherrlichen,
greift Paragraf 130 des Strafgesetzbuchs, Volksverhetzung. Wenn
Gewalttäter zuschlagen, ist die Polizei zuständig. Dafür
zu sorgen, dass Justiz und Polizei hier effizient und konsequent
handeln, wäre die Anstrengungen, die ein Verbotsverfahren
kosten würde, eher wert.
Stimmt, würde man die NPD verbieten, hätten Holocaust-Leugner
und Inder-Jäger eine Plattform weniger. Fraktionszimmer in
Landtagen und Rathäusern könnten nicht mehr als Schaltstellen
der "Bewegung" dienen. Dafür aber wären Rechtsextreme
und -extremisten schwerer zu beobachten. Zumal da verbliebene
V-Leute abgezogen werden müssten, um ein Verbotsverfahren
nicht zu gefährden.
Nicht jede rassistische und ausländerfeindliche Tat wird
von Rechtsxtremen begangen; Rassisten und Ausländerfeinde
gibt es an Stammtischen und in Sportvereinen, in Parteien, auch
in der SPD. Wer fremdenfeindliche Gesinnung und Gewalt pauschal
Rechtsextremen zuordnet, muss sich nicht mehr mit dem Alltagsrassismus
auseinandersetzen. Kurt Beck aber geht Rassismus an wie ein Exorzist
eine Krankheit: Dämonen austreiben statt heilen.
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