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Einschlag. Eine "Times Mager"-Kolumne zur "Lyrikoffensive" des Deutschlandfunks, Frankfurter Rundschau vom 14. März 2008

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Einschlag

Eine "Times Mager"-Kolumne zur "Lyrikoffensive" des Deutschlandfunks

Angst und bange musste es Freunden filigraner Verse werden, die am Donnerstagmorgen Deutschlandfunk hörten. Angst und bange um jene deutsche Lyrik, die DLF-Programmdirektor Günter Müchler zu schätzen vorgab und fördern will.

Das Lyrik-Projekt des DLF, über das ein DLF-Redakteur mit seinem Chef, dem Programmdirektor, sprach, findet nicht nur dieser lobenswert, weil er es erfunden hat. Dass der Deutschlandfunk seit mehr als zwei Jahren täglich dreimal mitten im Programm ein Gedicht sendet, mehr als 800 bisher, ist in der Tat zu preisen.

Mittlerweile ist ein Lyrik-Kalender ebenso daraus erwachsen wie - Anlass der DLF-Nabelschau - ein Gedichte-Wettbewerb für Schüler, der am Donnerstag bei der Leipziger Buchmesse vorgestellt wurde. Partner sind der Philologenverband und der Wunderhorn-Verlag. Auch eine prima Sache: Lyrische Leistung lohnt sich.

Der Name des Wettbewerbs aber lässt Furcht keimen: "lyrix - Schülerwettbewerb für Dichter mit Klasse". Wenn eine Mischung aus bemüht jugendlichem, halbanglizistischem Neologismus und allzuwitzigen Wortspiel als Etikett über der "Aktion" (Müchler) steht, mit einem kleinen l, das der Werbesprache mehr verdankt als etwa Stefan George - was soll dann herauskommen, wenn jeden Monat die fünf besten Gedichte "in unserem Internet" veröffentlicht werden?

Zu befürchten ist: Sprache à la Müchler. Der sagt, die "Lyrik-Offensive" seines Senders "ist vom ersten Tag an voll eingeschlagen". Findet toll, dass "das Gedicht nicht in die Kulturflächen des Programms gestellt wird", sondern "rauskommt aus dem Ghetto der Hochkultur". Es werde "ins fließende Programm gewissermaßen reingeschossen" und habe "die Funktion eines Wellenbrechers im Katarakt der Informationen".

Auch die ARD-Anstalten stellen in Leipzig ein Lyrik-Projekt vor, den Hör-Conrady, nach dem Germanisten Karl Otto Conrady (Müchler bescheiden: "Jede wirklich gute Idee findet Nachahmer"). Oh großer Conrady: Schütze die Lyrik, schütze die Brechts und Brentanos, Heines und Hesses, die Rilkes und Rühmkorfs, die Astels und Zweigs, die Kellers und Dachs, die von Eichendorffs, von Eschenbachs und von Ebner-Eschenbachs - schütze sie vor solchen Beschützern.